Ein Gebäude in voller Verantwortung.
Seit Oktober 2003 ist das ChristophorusHaus in Stadl-Paura in Betrieb: als dreigeschossiger Holzbau in Passivhaus-Bauweise ein höchst innovatives Bürogebäude. Und ein hervorragendes Beispiel umweltbewussten Bauens.
Am Anfang stand eine Vision. Eine Organisation, die in Afrika für den ökologischen Betrieb von Krankenhäusern sorgt, so der Gedanke, müsste dieses Know-How doch auch in Europa nützen. Als dann für die österreichische MIVA (Missions-Verkehrs-Arbeitsgemeinschaft) und ihren Beschaffungsbetrieb BBM die alten Räumlichkeiten im oberösterreichischen Stadl-Paura zu klein geworden waren, war die Sache eindeutig: Es bedurfte ein Haus, das der Belastung unterschiedlicher Funktionen standhalten und dabei ein Minimum an Energie verbrauchen sollte – ein „Gebäude in voller Verantwortung“, errichtet nach den neuesten Erkenntnissen umweltschonenden Bauens.
„ChristophorusHaus“ hieß die Vision von Anfang an. Der Name verweist auf den heiligen Christophorus, der in der katholischen Kirche als Schutzpatron der Reisenden angerufen wird. Die MIVA ist ein katholisches Hilfswerk, das es sich zum Ziel gesetzt hat, Pastoral und Sozialarbeit junger Kirchen in den armen Ländern der Welt mit Fahrzeugen zu unterstützen: Lastwagen, Pkw und Geländewagen, Fahr- und Motorräder, aber auch Boote, landwirtschaftliche Geräte oder – je nach Erfordernis – lebende Lastenträger wie Elefanten, Esel oder Maultiere. Der „Beschaffungsbetrieb der MIVA“ oder „BBM“ ist für die technische und logistische Abwicklung der MIVA-Projekte zuständig. Darüber hinaus bietet er sein Know-how für andere Hilfsorganisationen an und engagiert sich in technischen Großprojekten. So wurden unter Federführung des BBM in Uganda Krankenhäuser auf ressourcenschonenden Betrieb umgerüstet.
Zum Beispiel Matany, ein großes Spital in der Region Karamoja, im Nordosten Ugandas: Das Krankenhaus ist dort nicht mehr wegzudenken. Die Karamojong, ein nomadisierendes Volk von Viehhirten, wäre ohne das Spital von Matany und seine Außenstationen so gut wie ohne medizinische Versorgung. Zum Segen kam aber auch eine Bedrohung. Nach und nach wurden in weitem Umkreis um das Spital die Bäume gefällt, denn die Krankenhaus-Wäscherei brauchte Brennholz für das Heißwasser. In der dürren Gegend Karamojas wurde das bald zum Problem. Wo die Bäume wichen, wuchs die Dürre. Zudem stellte die Wäscherei eine ständige Gefahr für Ansteckung und die Verbreitung von Keimen dar.
In Zusammenarbeit mit anderen österreichischen Hilfsorganisationen packte der BBM das Problem bei der Wurzel. Medizinische Waschmaschinen wurden installiert. Das Wasser wird jetzt mittels Sonnenkollektoren erhitzt. Dazu wurde das ganze Krankenhaus auf Strom aus Photovoltaik-Anlagen statt aus Dieselgeneratoren umgestellt. Beeindruckend auch das Wasserkonzept: Die Hauptquelle liegt in einem nahen Fluss, der an der Oberfläche völlig ausgetrocknet ist. Aus etwa 70 Meter Tiefe wird es an die Oberfläche gepumpt und versorgt die Krankenhausanlage. Brunnen auf dem Gelände, zum Teil mit Sonnenenergie-betriebenen Pumpen, ergänzen das Wasserangebot. Und das Abwasser versickert nicht mehr ungenutzt: In einer großen Pflanzenkläranlage wird es aufbereitet und dann zum Beispiel für die Bewässerung von Baumplantagen verwendet. Denn um Matany wird aufgeforstet. Mitten in der staubigen Dürre laden Obstgärten zum Spazieren ein, und im Schatten der Bäume fühlen sich auch Vögel wieder wohl. Ein Kreislauf ist in Gang gekommen: Das Krankenhaus zerstört die Umwelt nicht mehr.
Nicht zuletzt die Erfahrungen in Matany haben die „Vision“ des ChristophorusHauses beflügelt. Warum sollte mit BBM-Know-how in Uganda der Strom von der Sonne kommen und im neuen Haus für BBM und MIVA die Ölheizung brennen? Warum sollte ökologisches Bewusstsein ein Exportartikel bleiben und im eigenen Bereich keine Rolle spielen? Für uns war klar: Das neue Gebäude müsste auch in Österreich ein Zeichen setzen. Es sollte nicht nur mit einem Minimum an Energie auskommen, sondern auch aus möglichst naturnahen, das heißt nachwachsenden Baustoffen errichtet werden. Nicht nur ein neues Haus sollte gebaut – ein Ökoprojekt sollte verwirklicht werden.
Eine Vision nahm Gestalt an.
Der Bau war eine Herausforderung für alle Beteiligten. Denn das Haus musste neben allen ökologischen Auflagen auch eine Vielzahl von Funktionen vereinen: Büros für MIVA und BBM, Logistikzentrum mit Lagerhalle für die Hilfslieferungen des BBM, eine Autowaschanlage, dazu Veranstaltungs- und Seminarräume, einen Weltladen, Ausstellungsflächen und eine Catering-Küche sollten unter einem Dach Platz finden. Unter dem Kürzel CHH wird das ChristophorusHaus auch eigene internationale Veranstaltungen aus den Themenbereichen von MIVA und BBM anbieten. Die offizielle Beschreibung des Projekts klingt in ihrem Bemühen, alles auf einmal zu sagen, daher auch etwas sperrig: Das ChristophorusHaus ist ein „multifunktionales Betriebs- und Verwaltungsgebäude mit Logistik- und Kulturzentrum in Passivhausstandard und nachhaltiger Holzbauweise“. So weit, so kompliziert. Dass aber nun in Stadl-Paura tatsächlich ein Gebäude steht, das allen diesen Anforderungen entspricht, ist einer minutiösen Planung zu verdanken – und der Bereitschaft aller Beteiligten (Bauherr, Architekten, am Bau beteiligte Firmen sowie beratende Organisationen) zu ständigem Austausch. Nur durch konsequentes Teamwork und ständige Diskussion konnte der Bau in allen Phasen von Planung und Errichtung so optimiert werden, dass er heute ein echtes Vorzeigeprojekt darstellt.
Das Interesse am ChristophorusHaus ist groß. Täglich kommen Interessierte und Neugierige, auch aus Übersee. So verbreitet sich der auf lange Sicht lebensnotwendige Gedanke, dass Schonung der Ressourcen nicht nur in Uganda ein wichtiges Thema ist.